… und wenn der Partner krank ist?

"Je früher Angehörige die Verantwortung für ihr eigenes Wohlergehen und für das ihrer Kinder übernehmen, um so besser!"

Ich glaube, meine Frau hat ein Alkoholproblem. Sie streitet es zwar ab, ist wütend und empört, wenn ich sie darauf anspreche, aber sie trinkt täglich und – wie ich finde – zuviel.

Am nächsten Tag kommt sie dann nicht hoch. Die Kita beschwert sich, da unser Jüngster immer wieder zu spät kommt und so schwer ins Spiel findet, da sich die anderen Kinder schon zu Gruppen zusammengefunden haben. 

Ich frühstücke regelmäßig mit beiden Kindern und setze die Große dann an der Schule ab. Da sie eine Waldorfschule besucht, hat sie einen langen Schulweg, da müssen wir früh aufstehen, zu früh, um den Kleinen auch schon abzusetzen. Ich bin weiß Gott kein Verfechter des alten Rollenmodells, doch wird es mir einfach zuviel, wenn ich neben meiner Berufstätigkeit auch noch regelmäßig einkaufen, kochen und die Kinder versorgen soll. 

Jedes Wochenende endet im Streit, weil ich versuche, mit ihr zu reden, sie davon zu überzeugen, sich Hilfe zu suchen. Ich glaube, lange halte ich das nicht mehr durch. Ich habe sogar schon mal ausgerechnet, dass ich mir eine Haushaltshilfe leisten könnte nach einer Trennung… aber das kann ich doch nicht machen, ich kann meine Frau doch in im Stich lassen. Sie ist schließlich die Mutter unserer Kinder.“

 
Immer wieder erreichen mich Berichte von Eltern, die sich mit dem Gedanken tragen, sich von einem kranken Partner trennen zu wollen. Sie sehen, dass ihre Paarbeziehung am Ende ist und haben zusätzlich noch das Problem, dass sich durch die Krankheit des Partners (der Lesbarkeit halber verwende ich im Folgenden ausschließlich die männliche Form, meine jedoch alle Geschlechter) und dessen vermeintlicher Hilflosigkeit die Trennungsproblematik noch verschärft.

Täglich machen sie die Erfahrung, dass die vom anderen erhoffte Entlastung bei Kindern und Haushalt ausbleibt. Aber der andere ist krank, hat eine Krankheit, die eine Einsicht verlangt. Und da geben sich Hoffnung, Ohnmacht und Enttäuschung die Klinke in die Hand. Die Hoffnung darauf, dass der andere die Einsicht erlangen möge, etwas gegen seine Sucht, Depression, Schlafkrankheit, ADHS, Autismus oder was auch immer, unternehmen zu müssen. Unzählige Appelle, Vorwürfe, Angebote verlaufen im Sande. Zurück bleiben eine unbeschreibliche Erschöpfung und schlechte Stimmung. Im Kielwasser der Enttäuschung entstehen schlimmstenfalls Depressionen oder eigene körperliche Erkrankungen. Das ist einfach die Zusammenfassung dessen, was man „Co-Abhängigkeit“ nennt.

Erst, wenn wir begreifen, dass die Verantwortung für persönlichkeitsverändernde Erkrankungen bei den Betroffenen selbst liegt, können wir uns uns selbst zuwenden und dort die Fürsorge entfalten, derer der andere nur allzu oft überdrüssig ist.
„In guten wie in schlechten Tagen“ bedeutet zueinanderzustehen, auch wenn der andere Schicksalsschläge erlebt, sich mit einer Erkrankung in ärztliche und/oder therapeutische Behandlung begibt. Es bedeutet sicher nicht, in einer Familie die Folgen einer Erkrankung zu ertragen, in die es keine Einsicht gibt oder mit der das eigene, unsoziale Verhalten permanent entschuldigt wird. Auch als Eltern sind die Erwachsenen zunächst einmal für sich selbst und das eigene Wohlergehen verantwortlich. Nichts ist fruchtloser und sinnloser, als den anderen ändern zu wollen. Ändern können wir nur uns selbst. Je früher wir die Verantwortung für unser eigenes Wohlergehen und für das unserer Kinder übernehmen, um so besser!

Da ist eine Trennung auch für die Kinder das kleinere Übel, denn die permanente Fixierung auf den Partner entzieht ihnen die Aufmerksamkeit und emotionale Zuwendung, die sie für ihre gesunde Entwicklung so nötig brauchen.

Suchen Sie sich Hilfe und Unterstützung! Bleiben Sie nicht allein mit Ihrer Enttäuschung und Ihrer Erschöpfung! Es gibt Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen für Angehörige – beantragen Sie eine Eltern-Kind-Kur, um Abstand zu gewinnen. Oft kümmern sich Partner, um deren Einsicht der andere so lange vergeblich gerungen hat, dann um eine wirksame Therapie, wenn sie erfahren, was sie verlieren. Eine Drohung hingegen ist erfahrungsgemäß völlig wirkungslos.
— Ute Steffens
 
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